Florian Mayer galt als einer der kreativsten, genialsten, aber auch unberechenbarsten Spieler auf der Tour. Unglaubliche Siege, u. a. gegen Rafael Nadal und Andy Murray, aber auch für Außenstehende nicht zu erklärende Niederlagen begleiteten ihn bis auf Platz 18 der ATP-Weltrangliste.
Was kaum jemand wusste: Mayer hatte in seiner Karriere und vor allem auch danach immer wieder mit mentalen und psychischen Problemen zu kämpfen. Anfang November hat der 40-Jährige dies erstmals im kleinen Kreis öffentlich gemacht, die Süddeutsche Zeitung und Sky berichteten danach im großen Stil. Wir haben mit Florian Mayer in der ersten Ausgabe des runderneuerten BTV-Magazins BAYERN TENNIS unter anderem über dieses schwierige Thema gesprochen.
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Flo, wenn du auf deine gesamte Karriere zurückblickst, überwiegen da die positiven Momente?
Florian Mayer:
Auf jeden Fall. Und dass ich die Top-20 in der Weltrangliste erreicht habe, darauf bin ich wirklich stolz.
Was waren deine Highlights?
Florian Mayer:
Der Sieg in Halle 2016 überragt alles! Dann die beiden Wimbledon-Viertelfinals, mein erster ATP-Turniersieg in Bukarest und der Sieg 2011 gegen Rafael Nadal im Achtelfinale von Shanghai. Das war in dem Jahr, als ich in die Top-20 gekommen bin. Ich hatte mir schon Chancen ausgerechnet, weil es dort einen schnellen Hartplatz mit flachem Ballabsprung gibt. Ich bin völlig unbeschwert ins Match und habe bald gemerkt »heute kann ich ihn schlagen«. Den ersten Satz hab’ ich im Tiebreak gewonnen, und dann ist es gelaufen.
Aber, und darüber wollen wir auch sprechen, du hast auch einige Schattenseiten in deiner Profikarriere erlebt. Was waren die schwierigsten Momente?
Florian Mayer:
Anfang 2004 stand ich im Alter von 21 Jahren ungefähr auf Position 250 der Weltrangliste. Wenige Monate später war ich durch das Viertelfinale in Wimbledon auf Platz 33. Alles war neu, der Trubel, die Medien – und mir ist es überhaupt nicht gelungen, im nächsten Jahr diesen Erfolg zu bestätigen. Alle kannten mich, die Erwartungshaltung von mir selbst und von Außenstehenden wurde deutlich größer, und damit bin ich ehrlich gesagt überhaupt nicht zurechtgekommen. Die zwei, drei Jahre nach dem ersten Wimbledon-Viertelfinale liefen nicht gut, ich bin auch aus den Top-100 wieder rausgefallen. Mit 24 habe ich es dann über die Challenger-Turniere peu à peu wieder in die Top-100 geschafft, konnte mich dann oben behaupten, erst in den Top-50, dann in den Top-30. Das war langsamer, aber viel gesünder als zuvor von 0 auf 100.
Wie wichtig war es, dass du in all den Jahren nie allein unterwegs warst, sondern in Tobias Summerer immer jemanden an deiner Seite hattest?
Florian Mayer:
Tobias war eine totale Stütze, nicht nur sportlich, sondern auch menschlich. Es ist in der heutigen schnelllebigen Zeit und im harten Tennisbusiness nicht die Normalität, dass man knapp zehn Jahre wirklich so loyal und erfolgreich zusammenarbeitet.
Aber es gab sicher für beide in all den Jahren schwierige Phasen.
Florian Mayer:
Ja natürlich (lacht). Es gab schon auch Reibereien. Was uns aber geholfen hat, und darüber sind wir uns einig, war meine verletzungsbedingte Auszeit aufgrund der Schambeinentzündung. Da war ich ein ganzes Jahr raus, und wir konnten danach unsere »Beziehung« wieder mit neuem Elan angehen.
Auch nach der Karriere gab es dunkle Zeiten, direkt nach deinem letzten Profimatch 2018 bist du in ein extremes Loch gefallen. Was ist da passiert?
Florian Mayer:
Ich habe im Match gegen Borna Coric bei den US Open nochmal alles reingelegt, obwohl ich schon recht erschöpft war. Als ich danach zu Hause in München angekommen bin, konnte ich zum ersten Mal nach dieser langen Profikarriere so richtig loslassen. Die ganze Anspannung, der Druck, das ist alles plötzlich von mir abgefallen – und dadurch bin ich tatsächlich völlig zusammengebrochen. Wie bei einem klassischen Burnout.
Wie bist du aus diesem Tal wieder rausgekommen?
Florian Mayer:
Ich war schon vier Wochen nach den US Open auf Kur in einer Klinik in Oberstdorf. Dort bin ich viel Rad gefahren, habe einige Wanderungen unternommen und wirklich mal losgelassen. Danach ging es schon deutlich besser. Aber bis ich die gesamte Karriere verarbeiten konnte, das hat dann schon noch eine Zeit gedauert. Vielleicht auch, weil ich ein feinfühliger und sensibler Mensch bin.
Was gab den Ausschlag dafür, dass du erstmals im November und später in Sky und in der SZ deine Geschichte erzählt hast?
Florian Mayer:
In den letzten Jahren haben sich immer mehr Spieler geoutet und öffentlich über ihre mentalen und psychischen Probleme geredet. Sei es Emma Raducanu, Lucas Pouille oder Dominic Thiem. Auch die Netflix-Doku von Mardy Fish hat mich sehr bewegt. Da habe ich gemerkt, dass ich nicht der Einzige auf der Tour war, der Probleme hatte. Viele Spieler hatten während und nach der Karriere eine Phase, wo es ihnen nicht so gut ging. Sich trauen, darüber zu reden, das war während der Karriere ein Tabu. Solange man spielt, will man keine Schwäche zeigen. Für mich persönlich ist das ein guter Verarbeitungsprozess, auch darüber zu sprechen.
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Das Interview in voller Länge lesen Sie in der aktuellen Ausgabe 1-24 des rundumerneuerten BTV-Magazins BAYERN TENNIS >> zum ePaper und Abo.